Ist der Innenminister blind am rechten Auge? & Ikone der Neonazi-Szene verstorben - Newsletter von M. Sulzbacher
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Blind am rechten Auge
Nachdem es im Oktober des vergangenen Jahres zu einer nächtlichen Patrouille rechtsextremer Aktivisten an der Staatsgrenze im Burgenland gekommen war, fand der damalige Innenminister und heutige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) scharfe Worte. Diese Aktion der Identitären-Bewegung sei „nicht tolerierbar“, betonte er damals in einer Aussendung.
Mittlerweile führt Gerhard Karner (ÖVP) das Innenministerium, und die Identitären führen wieder Patrouillen durch. Daher überrascht die Beantwortung einer aktuellen parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz durch den Innenminister. Darin bestätigt Karner, dass es am 30. Juli und am 3. September 2022 Patrouillen an der burgenländischen Grenze gab und diese auch vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, aber „aufgrund der durchgeführten Recherchen“ könne der Innenminister „nicht bestätigen“, dass Rechtsextreme hinter der Aktion steckten. Dabei zeigen von den Rechtsextremen selbst veröffentlichte Fotos und Videos, dass sie auf Patrouille waren.
Überraschend war auch die Reaktion des Innenministers auf eine Aktion der Identitären am Sonntag, den 6. November. Eine Gruppe der Rechtsextremen versuchte auf einen Balkon des Innenministeriums zu gelangen, um dort ein Transparent aufzuhängen. Die Aktion konnte jedoch vom Objektschutz verhindert werden. In seiner Stellungnahme sagte Karner: „Ich habe großes Verständnis für die Sorgen und Ängste der Menschen in Zusammenhang mit der Schleppermafia und illegaler Zuwanderung. Von Rechtsextremen und Rechtsradikalen, ihren Parolen und ihrem Hass dürfen wir uns, und werde ich mich nicht beeinflussen lassen.“
Was genau „Schleppermafia und illegale Zuwanderung“ damit zu tun haben, wenn Rechtsextreme eine Aktion beim Innenministerium durchführen, bleibt nebulös.
Identitäre zahlten 8000 Euro
In der vergangenen Woche wurde auch bekannt, dass Identitäre rund 8000 Euro an die Wiener Linien zahlten, nachdem sie rassistische Flyer in der U-Bahn-Linie U6 verteilt hatten und über die Aktion auf Telegram berichteten. Die städtischen Verkehrsbetriebe konnten Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des Namensrechtes geltend machen. In zwei Fällen wurden Versäumungsurteile erwirkt, bei zwei weiteren wurden gerichtliche Vergleiche abgeschlossen.
Staatsanwaltschaft stellte Verfahren ein
Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Verhetzung ohne Ausforschung der Täter eingestellt. Die Wiener Linien konnten die Identitären mit Hilfe ihrer Videoüberwachung und ausforschen. (Markus Sulzbacher, 10.11. 2022)
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Ikone der Neonazi-Szene verstorben
Die Neonazi-Szene hat eine ihrer Ikonen verloren. Am 25. Oktober starb der 1924 geborene Herbert Bellschan von Mildenburg. Der ehemaliger SS-Mann machte sich in den vergangenen Jahren als Zeitzeuge einen Namen, der gerne und langatmig über den „selbstlosen Kampf“ der SS im Zweiten Weltkrieg erzählte. Mit diesem Programm tingelte er in den vergangenen Jahren durch Deutschland und Österreich und sorgte für gefüllte Burschenschafterbuden und Hinterzimmer von Gasthöfen.
Nur „das Beste für das deutsche Volk"
Aus seinem Weltbild machte er keinen Hehl. In der Spiegel-TV-Dokumentation „SS – Die letzten Zeugen“ nannte er den SS-Führer Heinrich Himmler, einen der Hauptorganisatoren des Holocausts, einen „sauberen Mann“ mit „anständigem Charakter“, der nur „das Beste für das deutsche Volk wollte“. Weiters betonte er, für ihn existiere das „Wort Auschwitz“ nicht. Auch interessiere es ihn nicht, ob die Juden von den Nazis „vergast oder erschossen worden sind“.
Bellschan von Mildenburg war im Umfeld von Holocaust-Leugnern ebenso zu finden, wie auf dem Ulrichsbergstreffen, wo er 2012 eine Festrede hielt. Das Treffen ist ein zentrales Event der rechtsextremen Szene, bei dem sich SS-Veteranen – oder Himmlers Tochter Gudrun Burwitz – ein Stelldichein gaben.
SS-Veteranenorganisation
Zur Teilnahme am Begräbnis von Bellschan von Mildenburg ruft unter anderem der „Österreichische Soldatenverband K IV Steiermark/Südburgenland“ auf. Diese Gruppierung ist ein Überbleibsel der „Kameradschaft IV“. Diese SS-Veteranenorganisation verfolgte seit ihrer Gründung im Jahr 1954 das Ziel, die Waffen-SS als „unproblematischen“ Teil der Wehrmacht zu verharmlosen. Tatsächlich wurde im Zuge der Nürnberger Prozesse die SS in ihrer Gesamtheit – das heißt ausdrücklich unter Einschluss der Waffen-SS – als „verbrecherische Organisation“ eingestuft. In den 1990er Jahren kam die „K IV“ einem Verbot durch das Innenministerium mit der Selbstauflösung des Bundesverbandes zuvor – die Landesverbände blieben allerdings aktiv. (Markus Sulzbacher, 10.11. 2022)
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Markus Sulzbacher
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